Tourendatum: 03.07.2021

Wer mich kennt weiß, dass es wahrscheinlicher ist, mich im Juni auf Skitour zu treffen als im November. Bisher war ich aber noch nie eine Skitour im Juli gegangen, was womöglich daran liegt, dass ich die Skitourensaison immer mit einer möglichst schönen Skitour abschließen möchte und dazu gehören der Berg, die Landschaft, das Wetter und eben die Schneequalität. Am 3. Juli 2021 war es dann so weit, für die Jahreszeit war die Schneeabdeckung auf den Gletschern noch relativ gut, oberhalb von 3000 m war der Sommerschnee noch nicht wellig, ein paar Tage zuvor hatte es 10-15 cm geschneit, am Schönwettertag vor der Tour hat es den Neuschnee auf nur wenige cm gesetzt und schon fast zu Firn umgewandelt, die Nacht war kalt und klar, am Tag der Tour war die Luft extrem trocken und es war ein schöner kalter Sommertag und wenn dann noch Lukas mit einem genialen Tourenvorschlag kommt – ja dann steige ich auch gerne einmal im Juli auf die Ski.

Wir machten uns auf den Weg zur Durchquerung des Weißkamms, der größten Gletscherfläche der Ostalpen. Die Tour sollte uns vom Kaunertal über einige Gipfel ins Ötztal führen. Für so eine Tour stellt man sich den Wecker auch gerne auf 01:45. Um kurz nach 4 Uhr starten wir noch bei Dunkelheit  am Parkplatz des Kaunertaler Gletschers Richtung Weißseespitze. Oben angekommen im Gletscherbecken des Gepatschferners erwartete uns ein traumhaft schöner Sonnenaufgang – für mich war es der bisher schönste. Kurz darauf standen wir auf der Weißseespitze. Für mich hatte sich die Tour somit schon vollkommen gelohnt aber das war erst der Beginn eines langen Tourentages.

Es war nicht zu erwarten, dass es kurz nach 6:00 schon auffirnen würde, somit ging es bei harten aber lustig zu fahrenden Bedingungen einmal quer über den Gepatschferner und dann hieß es wieder auffellen und hinauf auf das Gepatschjoch. Die dortigen Stahlseile waren relativ neu und in einem sehr guten Zustand.

Für den kurzen Abstieg/Abfahrt vom Gepatschjoch und die Querung zum Aufstieg auf die Hochvernagtspitze stellte sich die Frage, ob es sich lohnt abzufellen oder nicht. Lukas stieg ein paar Meter zu Fuß ab und bevorzugte die Variante mit Fellen, ich fellte ab und konnte mit einer Schussfahrt die komplette Querung elegant zurücklegen. Zugegeben, erst als Lukas nur mehr ein kleiner Punkt hinter mir in der Ferne war, konnte ich die Weite abschätzen. Für mich war es fein, dass ich mir ein paar Minuten Zeit herausgefahren hatte, da ich doch deutlich öfter als Lukas am Jausnen war und somit die Zeit sinnvoll nutzen konnte.

Die letzten Meter auf die Hochvernagtspitze hinauf merkte ich, dass die heutige Tour anstrengend werden könnte, aber es war ja schon 1/3 geschafft. Hier trafen wir auch die ersten Leute an diesem Tag, welche gleich ihre Bergschuhe gegen die Ski tauschen wollten.

Für die Abfahrt wählten wir denjenigen Gletscherarm des großen Vernagtferners, welcher uns gleich in Richtung Taschach Hochjoch führte. Dies war die beste Abfahrt des Tages, da es hier schön aufgefirnt hatte. Gott sei Dank war es aber auch noch nicht zu weich, da uns diese Abfahrt über eine ordentliche Spaltenzone führte. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen bei den Abfahrten Kräfte zu sparen und große schnelle Bögen zu fahren, aber der Schnee an diesem Tag war so gut, dass jede Abfahrt mit voller Leidenschaft gefahren wurde.

In angenehmer Steigung, fast schon meditativ, ging es Richtung Taschach Hochjoch. Bei den letzten Metern konnten wir uns entscheiden, ob wir etwas steiler über Schnee eine schmale Gratpassage umgehen aber dafür Steinschlag von einem darüber liegenden Geröllfeld in Kauf nehmen oder ob wir flacher zum Grat aufsteigen und dort ein kurzes brüchiges Gratstück überklettern. Wir wählten den brüchigen Grat, welcher klettertechnisch zwar nicht schwierig ist aber aufgrund seiner Brüchigkeit mit Bierkistenklettern zu vergleichen ist (alles nur von oben belasten). Es ist schon fast traurig, dass ich von den 3000ern so brüchiges Gelände gewohnt bin. Danach stapften wir über Firn auf die Petersenspitze.

Nun war es nicht mehr weit zur Wildspitze. Zum ersten Mal an diesem Tag war es warm genug, um vom Skiunterhemd auf ein dünnes langärmliges Hemd zu wechseln. Die kalte trockene Luft war aber perfekt für unsere Tour, weil der Schnee hier immer noch schön kompakt war und nicht aufweichte. Ansonsten hätten wir hier das Seil hernehmen müssen, denn von den Bergsteigern sah man schon einige Löcher in den Gletscherspalten und die Schneeabdeckung war hier nicht besonders groß. Vom vielen Grüßen der Bergsteiger, welche sich im Abstieg befanden, ging mir schon fast die Luft aus aber das Positive daran war, dass wir dann den Gipfel der Wildspitze für uns alleine hatten.

Nun waren 2/3 der Tour geschafft und ich gönnte mir eine größere Jausenpause bevor es mit Steigeisen den Jubiläumsgrat nach unten und über die Kreuzerschneide ging. Auf den Mittelbergferner ging es noch einmal kurz steil bei Sommerschnee hinunter und danach hieß es einige km im etwas langsameren Schnee geradeaus fahren, wobei ich mit den Stöcken nur wenig nachhelfen musste.

Ab dem Aufstieg Richtung Linken Fernerkogel bot ich Lukas an, dass er diesen und die Innere Schwarze Schneide alleine macht und ich mir die paar hundert Höhenmeter zu den Gipfeln jeweils spare. Ich war auf diesen Gipfeln schon oben und mein Gehtempo war noch in Ordnung, nur verbrachte ich mittlerweile schon viel Zeit mit Jausnen und legte noch drei weitere Jausenpausen ein.

Die Schneeauflage am spaltenreichen Hangender Ferner war noch sehr gut und somit machte auch dieser bei der Abfahrt keine Probleme. Für den letzten Aufstieg wählte ich den Sommerweg auf das Rettenbachjoch.

Bei der letzten Abfahrt bescherte uns ein schmaler Streifen neben den Abdeckungen der Skipiste noch eine letzte lustige Abfahrt über den Rettenbachferner bis zum Parkplatz. Somit hatten wir nach gut 12 Stunden unser Ziel erreicht. Meine Eltern waren so nett, dass sie mein Auto aus dem Kaunertal geholt hatten und uns oben am Rettenbachferner abholten. Somit war diese Skidurchquerung erst richtig elegant möglich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Skitour im Juli wie eine Tour im Mai oder Juni angefühlt hatte, nur mit dem Unterschied, dass man (deutlich mehr) Bergsteiger trifft. Auf jeden Fall war es eine meiner schönsten Skitouren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.