14 3000er hoch über Obergurgl an einem Tag (16 h 23 min Gehzeit)

Tourendatum: 4.9.2019

Die Idee für dieses „Projekt“, bei dem es an einem Tag auf 14 3000er geht, kam mir vor über einem Jahr. Damals ging ich den Grat vom Zirmkogel zum Nördlichen Ramolkogel und war vom Gelände und der Landschaft so begeistert, dass ich die Tour noch ausbauen wollte. Schnell war der Plan geboren, an einem Tag auf den Nederkogel zu steigen und anschließend den Ramolkamm bis zum Ramolkogel zu gehen.

Da ich den Aufstieg auf den Mittleren und Großen Ramolkogel schon kannte, erkundete ich heuer Anfang Juli den Grat zwischen der Gurgler Scharte und dem Nederkogel. Ich wählte auch diese Gehrichtung, um die schwereren Passagen im Aufstieg kennen zu lernen. Voller Begeisterung durfte ich feststellen, dass auch dieser Gratabschnitt gut zu gehen/klettern ging. Somit waren alle Puzzlestücke komplett, der Plan stand und das Warten auf den einen Tag mit den perfekten Bedingungen begann.

Anfang September war es dann so weit, der Wetterbericht sagte einen Tag mit Kaiserwetter und 0% Niederschlagswahrscheinlichkeit voraus. Der einzige Schönheitsfehler – es sollte zwei Tage zuvor im Hochgebirge schneien. Der Optimist in mir nahm sich trotzdem den Tag frei und am Tag vor der Tour schaute ich in den Webcams dem Schnee beim Schmelzen zu. Jetzt war der Zeitpunkt für die Tour gekommen.

Keine Ahnung ob es die Aufregung oder die Vorfreude war, auf jeden Fall wachte ich um 1:15 bevor der Wecker los ging auf und pünktlich um 2:00 fuhr ich Richtung Ötztal los. Im Lichtkegel der Stirnlampe ging es bei angenehmen Temperaturen Richtung Nederkogel. Der Plan war zu Sonnenaufgang (6:37) am Gipfel zu stehen und ich hatte extra viel Zeit eingeplant, um die Tour gemütlich anzugehen.

1 Stunde vor Sonnenaufgang begann die Natur sich von ihrer schönsten Seite zu zeigen. Erste Farbenspiele am Himmel machten sich bemerkbar und auch die Silhouetten der Berge waren gut zu erkennen. 20 Minuten vor Sonnenaufgang war ich am Gipfel und hatte somit viel Zeit den Sonnenaufgang zu genießen und Fotos zu machen.

Nach diesem wunderschönem Sonnenaufgang und einem zweiten Frühstück sollte die Tour erst richtig beginnen. Es sollten an die 10 km Grat, praktisch fast immer über 3000 m, folgen. In der Morgensonne legte ich die mir noch bestens vertrauten Gratabschnitte zügig zurück und kam bald zur „Schlüsselstelle“, einem relativ frischen Felssturz am Äußeren Grießkogel. Die sich dort befindende griffarme Platte war kein Problem, da der Fels absolut trocken war. Somit hatte ich für die Tour perfekte Bedingungen.

Um 10:00 kam ich am Zirmkogel an und stand vor der Entscheidung, ob ich die Tour durchziehe. Bis jetzt hatte ich mit meiner Energie gut hausgehalten und von den 3 l Getränk hatte ich noch 2 l. Auf der gesamten Strecke hat man keine Möglichkeit sein Wasser aufzufüllen. Somit musste ich von Anfang an mich etwas mit dem Trinken zurückhalten. Weiter ging es nun auf dem längsten Gratabschnitt über die drei Gipfel des Gampleskogel zum Nördlichen Ramolkogel. Die Schlüsselstelle befindet sich hier zwischen dem Signalgipfel und Stangengipfel des Gampleskogels.

Auf den letzten Graterhebungen hinauf zum Nördlichen Ramolkogel, machte sich die Länge der Tour schon etwas bemerkbar und das Motto lautete einfach in Bewegung zu bleiben. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, somit nutzte ich jede Gelegenheit auf die Schattseite des Grats auszuweichen.

Am Gipfelkreuz des Nördlichen Ramolkogels war ich überglücklich, dass die Tour schon aufgegangen war. Beim Anblick des Mittleren und Großen Ramolkogels dauerte es nicht lange mich für einen letzten Anstieg noch einmal zu motivieren. Hier traf ich auch den ersten Bergsteiger des Tages, was die Einsamkeit der Tour gut beschreiben dürfte. Der Aufstieg auf den Mittleren Ramolkogel bietet im oberen Bereich eine abwechslungsreiche Kraxelei auf erstaunlich gutem Fels und so war ich relativ bald oben.

Vom Großen Ramolkogel hatte ich letztes Jahr schon Gerüchte gehört, dass er nur mehr erschwert zu besteigen ist. Zuerst ging es über zwei lustig zu überkletternde Grattürme dahin und dann nahm die Felsqualität rapide ab. Auf einmal stand ich vor einer Stelle, wo schlicht und einfach der Grat fehlte. Vor Jahren war dort noch ein extrem brüchiger Grat, der sich mittlerweile im Tal befinden dürfte. Ich hätte zwar mögliche Varianten gesehen, um diese Passage anzugehen. Da ich schon 12 Stunden in den Beinen hatte und man so ehrlich sein muss, dass dort der brüchige Fels ein hohes Risiko darstellen würde, drehte ich um. Somit blieb es für diesen Tag bei 14 3000ern.

Beim Ramolhaus angekommen füllte ich mein Getränk noch auf und setzte den Abstieg fort. Pünktlich zu Sonnenuntergang und nach 16 Stunden 23 Minuten traf ich in Obergurgl ein.

In Obergurgl hatte ich das Glück, dass mich ein Berg-begeistertes holländisches Pärchen mit dem Auto zum Parkplatz des Nederkogels mit nahm.

Dies war sicherlich eines meiner ausgefallensten und schönsten Bergerlebnisse und ich bin glücklich, dass es so perfekt geklappt hat. Von den Höhenmetern und Kilometern her gibt es sicherlich weitere Touren. Hier ist es jedoch die Herausforderung über eine so lange Zeit konzentriert zu bleiben. Obwohl ich die Höhe sehr gut vertrage musste ich feststellen, dass es einen Unterschied macht, ob man eine solche Strecke auf 2000m oder 3000m geht.

Route

Parkplatz Nederkogel -> Nederkogel (3163 m) -> Äußerer Grieskogel (3080 m/3105 m)  -> Innerer Grieskogel (3107 m) -> Zirmkogel (3281 m) -> Zirmeggenkogel (3230 m) -> Gampleskogel Eiskalotte (~3380 m) -> Gampleskogel Signalgipfel (3408 m) -> Gampleskogel Stangengipfel (3399 m) -> Nördl. Latschkogel (3386 m) -> Südl. Latschkogel (3357 m) -> Manigenbachkogel (3313 m) -> Nördl. Ramolkogel (3428 m) -> Mittlerer Ramolkogel (3518 m) -> Großer Ramolkogel (3550 m/ Abbruch) -> Köpfle (3005 m) -> Obergurgl

4 thoughts on “Gratüberschreitung der Extraklasse

  1. Ich bin ein Flachländer. Flach geboren und ich lebe flach. Deshalb werde ich garnicht ermessen können, was für eine Leistung Du erbracht hast. Um die Anstrengung beneide ich Dich auch nicht, wohl aber um das Erlebnis der Natur in einer solchen Höhe, deren Schönheit ich nicht einmal erahnen, an der ich aber wegen dieser wundervollen Fotos ein wenig teilhaben kann. Meine einzige Höhenerfahrung ist eine Seilbahnfahrt zur Zugspitze, schon da habe ich diese Welt genossen.

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