Spielerische Hetzjagden unter Gamsböcken

 

Das Karwendel mit seinen reichen Gamsbeständen und  teilweise einsamen Wandersteigen bietet sich ideal für die Fotografie von Gämsen an. In den letzten Jahren habe ich einige Tage bzw. Wochen bei den Gämsen im Karwendel verbracht und kenne die Gewohnheiten der Rudel recht gut. Es ist auch jedes Mal eine Freude, wenn man einen Gamsbock über mehrere Jahre antrifft. Die spannendsten Zeiten zum Fotografieren waren sicherlich die Brunft im Herbst und der Nachwuchs im Frühling. Während meiner Fotostreifzüge habe ich schon zahlreiche Hetzjagden beobachten können, wenngleich ich noch fast keine fotografieren konnte. Wer schon einmal eine Hetzjagd beobachtet hat oder den Böcken während einer solchen schon mal im Weg gestanden ist, kann sich gut vorstellen, warum es schwer ist, eine Hetzjagd zu fotografieren.

Meine Beobachtungen haben gezeigt, Hetzjagd ist nicht gleich Hetzjagd. Bei der Mehrheit der Hetzjagden wird ein Rivale vom stärkeren Bock einfach nur vertrieben. Oft verbrachten die Böcke zuvor eine lange Zeit nahe zusammen und setzten dabei Duftmarken bevor die Hetzjagd ohne Ankündigung losging. Nur einmal konnte ich beobachten, dass ein Bock einen anderen gehakelt hat und diesen während der Hetzjagd ausgehebelt hat. Hier hatte sich ein starker junger Bock von einem Platzbock nicht einschüchtern lassen und er musste anschließend seinen Mut bezahlen. In dem Revier, in dem ich unterwegs bin, gibt es während der Brunft ein ganz interessantes Gebiet. Relativ weit unten im Tal, abseits der Rudel, halten sich fünf bis zehn jüngere Böcke auf. Es gab hier keinen Tag, an dem sich nicht zwei Böcke jagten. Zwischen den Hetzjagden gab es auch Phasen, wo die Böcke friedlich zusammen durch das Gelände zogen. Kann es womöglich sein, dass hier eine Art „Übungsarena“ für werdende Böcke ist …

 

Dieser Gedanke wird auch durch meine Beobachtungen aus dem Frühling bekräftigt. Als ich Mitte Juni auf der Suche nach Gamskitzen war, konnte ich zwei Gamsböcke in einer kleinen Felswand fotografieren. Im einen Moment blickten sie sich noch an und auf einmal jagte der eine Bock den anderen. Es gab jedoch zwei Punkte, in denen sich die Hetzjagd von anderen unterschied. Einerseits wechselten sich die Böcke bei der Jagd ab und legten zwischendurch kleine Pausen ein. Die gleiche Art, sich zu jagen konnte ich schon bei spielenden Kitzen beobachten. Andererseits kam einer der Böcke an einer Stelle nicht mehr weiter und äußerte dabei Klaglaute. Sofort ließ der andere Bock von ihm ab. Wenn es sich hier um eine ernsthafte Hetzjagd gehandelt hätte, hätte wahrscheinlich der eine Bock den anderen über die Felsen gedrängt.

Meine bisher schönste Serie einer Hetzjagd konnte ich an einem Apriltag nach einem schneearmen Winter machen. Zwei Böcke, die bei einem Rudel standen, hatten noch sichtlich viel Energie. Sie starteten eine Hetzjagd über hunderte von Metern. Auch hier dürfte es sich um eine spielerische Hetzjagd gehandelt haben. Zwischendurch ließ sich der vordere Bock einholen, um anschließend den anderen zu jagen. Auch diese beiden Böcke wechselten sich regelmäßig bei der Hetzjagd ab, wobei der Wechsel meistens dadurch erfolgte, dass der vordere Bock steil bergauf lief und sich anschließend umdrehte. Einmal erfolgte der Wechsel auf eine besonders kreative Art und weise, indem der vordere Bock im vollen Lauf eine Vollbremsung einlegte, gefolgt von einem etwas ungewöhnlichen Sprung. Bei diesem Manöver entstand sicherlich eines meiner spektakulärsten Gamsfotos.

Ich bin schon gespannt, welche Erlebnisse meine nächsten Fotostreifzüge bei den Gämsen bringen werden.

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